... und vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet ...
1. Petrus 3,9
Da stand er noch einmal vor seinem wunderschönen Haus. Es war April 1946, im Garten fing alles an zu blühen, die Bäckerei, die er zusammen mit seinem beinamputierten Sohn betrieben hatte, war bis zuletzt gut gelaufen. Da stand er - neben ihm seine schwerkranke Frau, sein Sohn auf Krücken, seine Schwiegertochter mit zwei kleinen Mädchen an der Hand und auf dem Arm, und er selbst malariakrank. Tags zuvor waren polnische Polizisten an der Tür gewesen und hatten - gemäß der Potsdamer Konferenz - die Räumung des Hauses binnen 24 Stunden angeordnet.
Nur das Allernötigste durfte mitgenommen werden. In kalten Viehwagons ging es von Schlesien in Richtung Westen. Und während fast überall im Dorf laut oder leise geweint und geflucht wurde, nahm er den Hut ab, neigte den Kopf und segnete sein Haus in Jesu Namen und segnete alle Menschen, die je in diesem Haus wohnen würden. Er selber hat diese von den Alliierten beschlossene »Umsiedlung« nicht überlebt, er starb wenige Tage nach der Ankunft in Bunde in Ostfriesland an einer schweren Lungenentzündung. Seine Familie aber hatte seinen segnenden Abschied innerlich mitgetragen und blieb trotz langjähriger großer Armut vor Groll und Heimweh völlig bewahrt.
Viele Jahre später reisten ehemalige Nachbarn nach Schlesien, um die alte Heimat wiederzusehen. Erschüttert und deprimiert über den verwahrlosten Zustand ihrer früheren Häuser kehrten sie zurück; nur ein Haus - so berichteten sie - hätte einen sehr gepflegten Eindruck gemacht, bewohnt von auffallend freundlichen Menschen: das Haus meines Großvaters in Weigelsdorf in Schlesien, von dem ich berichtet habe!
Erwin Kramer
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